Kooperation von öffentlichem Gesundheitswesen und Wissenschaft zur Implementierung regionaler Präventionsstrategien
Ansprechperson
Dr. Andreas Deckert
Heidelberg Institute of Global Health, Universitätsklinikum Heidelberg
Tel: +49 (0) 6221 5637260
Im Zuge von SARS-CoV2 hat sich gezeigt, dass eine enge Verzahnung des Öffentlichen Gesundheitsdiensts (ÖGD) mit Forschungsinstitutionen zu schnellen und neuen Erkenntnissen führt, die in effektiven Public-Health-Maßnahmen münden.
Zielsetzung
Das langfristige Ziel dieses Forschungsvorhabens ist es, die Implementierung von Präventionsmaßnahmen durch die Gesundheitsämter (GA) eng mit begleitender Forschung zu verzahnen und somit evidenzbasierte Lösungsansätze zu generieren.
Vorgehensweise
In der ersten Teilstudie werden auf Basis einer retrospektiven Analyse von Social-Media-Daten (in BW lokalisierte Twitter-Daten) räumlich-zeitliche Zusammenhänge zwischen der Pandemie und Einstellungen sowie Emotionen gegenüber politischen Maßnahmen zur Eindämmung der SARS-CoV2-Pandemie (z.B. Lockdown, Tragen von Masken, Impfungen) überprüft. Die gewonnenen Erkenntnisse können künftig von GA und Forschungsinitiativen genutzt werden, um gezielte kommunikative Strategien zu implementieren, die eine hohe Akzeptanz und Adhärenz an Public-Health-Maßnahmen durch die Bürger:innen erzielen.
Nicht nur im Bereich der Prävention vor Infektionserkrankungen, sondern auch hinsichtlich der Prävention nicht-übertragbarer chronischer Erkrankungen kommt den GA eine zunehmend gestalterische Rolle bei der Planung und Umsetzung zu. Der mehrstufige Mixed-Methods-Ansatz umfasst eine Medienanalyse sowie eine komplementäre qualitative Experten-Befragung von Mitarbeiter:innen der Fachbereiche Infektionsschutz und Gesundheitsförderung/Prävention zur Bewertung der Kommunikation, Planung, Implementierung und Evaluation (z.B. Kosten, Effektivität) von Präventionsmaßnahmen. Die Erkenntnisse dieser systematischen Evaluation sollen dem Aufbau evidenzbasierter Leitlinien in der Primär-Prävention in Kooperation mit den GA dienen.
Komplementär zu den in den Teilstudien 1 und 2 gewählten quantitativen Forschungsansätzen bedarf es qualitativer Untersuchungen, um ein profundes Verständnis über Impfzögerlichkeit zu gewinnen. Deshalb zielt das dritte Teilprojekt mittels Fokusgruppendiskussionen und Einzelinterviews darauf ab, förderliche Faktoren und Barrieren der Impfakzeptanz, eingebettet in ein sozioökologisches Rahmenmodell, in der vulnerablen Subpopulation von Migrant:innen zu erzielen. Aufbauend darauf findet die Entwicklung einer migrationssensitiven videobasierten Intervention unter Einbezug der Zielgruppe und Multiplikatoren (z.B. Mitarbeiter*innen von GA) statt.
Komplementär zu den Teilstudien 1 und 3 wird die Wirksamkeit einer zielgruppenspezifischen Online-Interventionsstudie auf psychologische Determinanten der Impfakzeptanz (z.B. Wissen, Risikowahrnehmung) im Rahmen eines Vorher-Nachher-Designs evaluiert.
Anschließend werden ein a) umfassender Datensatz für das Monitoring von individuellen epidemiologischen Gesundheitsdaten sowie b) Best-Practice Tool-Boxen entwickelt. Aufbauend auf der auf dem GECCO-Datensatz basierenden RedCap-Dateninstanz aus Tübingen sollen weitere epidemiologische Fragen zu dem ursprünglich für klinische Settings entwickelten Fragenkatalog hinzugefügt und für die Befragung der Allgemeinbevölkerung angepasst werden.
In einer weiteren Pilotstudie soll die Validität eines einfach umsetzbares und kostengünstiges Testverfahren zur Einschätzung der Seroprävalenz von SARS-CoV2-Antilörpern mithilfe von Eigenblutnahmen überprüft werden. Diese Studie kann Aufschluss darüber geben, ob diese Art von Selbsttests auch bei anderen respiratorischen Erkrankungen sowie künftigen Pandemien eingesetzt werden kann.
Aufbauend auf den Erkenntnissen der vorherigen Teilprojekte soll eine Best-Practice-Toolbox konzipiert werden. Dieser enthält einen Maßnahmenkatalog mit Empfehlungen für den situativen Einsatz bestimmter Tools zur Verbesserung der Teilnahmeraten an Screening- und Präventionsprojekten.
Kooperationen
Im Zuge des Intervention-Mapping-Ansatzes existiert im Kompetenznetzwerk eine Kooperation mit dem Universitätsklinikum Tübingen. In den verschiedenen Teilprojekten wurden Kooperationen mit den Gesundheitsämtern und den Ämtern für Migration und Soziales der Kreise Rhein-Neckar, Böblingen und dem Enzkreis aufgebaut.
(Zwischen-)Ergebnisse
Im Rahmen des Intervention-Mapping-Ansatzes zeigen erste Ergebnisse, dass eine Vielzahl evidenzbasierter Programme zur Förderung körperlicher Aktivität und gesunder Ernährung durch die GA implementiert werden. Ein Großteil der Interventionsprogramme fokussiert das Kindesalter in den Settings Kindergarten und Schule. Viele dieser Programme sind wissenschaftlich fundiert und es existieren Vernetzung mit verschiedenen Stakeholdern des Gesundheitswesens und Forschungseinrichtungen. Allerdings zeigen die bisherigen Analysen defizitäre Kommunikationsstrategien, sodass die Programme nur durch eine gezielte Stichwortsuche identifiziert werden können.
Vorläufige Ergebnisse der qualitativen Studie zur Erhebung der Impfbereitschaft unterstreichen den Interventionsbedarf. Sowohl Migrant:innen ohne als auch mit Immunschutz berichten einerseits von Bedenken gegenüber Covid-19-Impfungen aufgrund der schnellen Vakzin-Entwicklung und andererseits über die Präsenz migrationsspezifischer Barrieren (u.a. Sprachkenntnisse Der persönliche Kontakt zu als vertrauensvoll wahrgenommen Personen mit dem gleichen kulturellen Hintergrund wurde von den Teilnehmer:innen als wünschenswert eingestuft und bildet somit einen vielversprechenden Ansatz für die Entwicklung von Impfkampagnen.
Auf Basis einer Studie zum Thema Impfungen haben wir ein edukatives Video zur Förderung der Impfbereitschaft gegenüber SARS-Cov2 speziell für arabisch- und türkischsprachige Migrant:innen in vier verschiedenen Sprachen entwickelt. Dieses vermittelt Informationen zu Nutzen und Risiken von Impfungen gegen SARS-Cov2. Im Sinne eines personenzentrierten Ansatzes werden weitere Fokusgruppendiskussionen und Einzelinterviews mit der Zielgruppe sowie relevanten Multiplikator:innen (z.B. Mitarbeiter:innen in Gesundheitsämtern) durchgeführt, um Rückmeldungen über die Akzeptanz und Machbarkeit zu erhalten. Erste Ergebnisse zeigen eine hohe Zufriedenheit mit den vermittelten Inhalten sowie der migrations- und kulturspezifischen Gestaltung. Diese Erkenntnisse sprechen für die Notwendigkeit, die zu erreichende Zielgruppe in den Entwicklungsprozess von Maßnahmen zur Prävention einzubeziehen.
Dieser Ansatz wurde erfolgreich auf die Zielgruppe ukrainischer Flüchtlinge ausgeweitet. Das Ergebnis dieser Bemühungen finden Sie unten. Nun sind wir bestrebt, das Video durch unsere Partner:innen in den Gesundheitsämtern, Ämtern für Migration & Soziales sowie gemeinnützigen Einrichtungen zu verbreiten.